Die Historie des Arbeiter-Samariter-Bundes
Mit einem Unfall fing es an ...
Die Vorgeschichte des ASB geht bis in das Jahr 1886 zurück, als in Erkner, einem Vorort von Berlin, große Eisenwerke von Zimmerleuten gebaut wurden. An diesem Bau stürzten mehrere Binder zusammen, einige Zimmerleute fanden bei diesem Unfall den Tod.
Der "Lokalverband Süd", eine Abteilung des im Jahre 1883 in Berlin gegründeten Verbandes der Zimmerleute, ließ sich aufgrund dieses Vorkommnisses und zahlreicher weiterer Unfälle in Fabriken, Betrieben und Baustellen im Jahre 1887 von Dr. Alfred Bernstein einen Vortrag über Erste Hilfe bei Unglücksfällen halten.
Das Interesse der Zimmerleute auch selbst, unter ärztlicher Anleitung von Dr. Bernstein, praktische Maßnahmen zur Ersten Hilfe zu erlernen und durchzuführen, führte im Jahre 1888 mittels eines Aufrufes zur Grundsteinlegung des ASB.
Eine stattliche Anzahl Personen folgte diesem Aufruf und beteiligte sich an der Ausbildung "Erste Hilfe bei Unglücksfällen". Um die entstandenen Unkosten zu decken, wurde damals ein Beitrag von 0,25 DM erhoben.
Der Zimmerpolier, Gustav Dietrich (02.10.1851 - 19.2.1940), war einer der sechs Berliner Zimmerleute, die am 29. November 1888 den Arbeiter-Samariter-Bund gründeten. Gemeinsam mit seinen Kollegen organisierte er den ersten "Lehrkursus für die Erste Hilfe bei Unglücksfällen".
Das allgemeine Interesse für einen Lehrkurs, speziell für Arbeiter, war erwacht. Die Notwendigkeit, dieses Interesse in Helfern umzusetzen, spiegelt sich in den zahlreichen Unfällen in der Industrie wieder. Niemand war da, der den Verunglückten in den Betrieben und auf den Baustellen helfen konnte.
Eine Hilfsorganisation gab es nicht und die Sanitätsvereine des Roten Kreuzes waren zur Zeit der Jahrhundertwende eine militärische Einrichtung, geschaffen, um im Kriegsfall Sanitätsmannschaften einsetzen zu können.
Am 25. Juli 1889 konnte von 25 übriggebliebenen Versammlungsbesuchern, der "Lehrkursus der Berliner Arbeiter zur Ersten Hilfe bei Unglücksfällen" ins Leben gerufen werden.
Vom 7. Oktober 1889 an wurden 14-tägige Lehrabende unter Leitung der Doktoren Alfred und Paul Bernstein eingeführt. Auch die Damen zeigten großes Interesse und gründeten unter Leitung einer Frau von Hofstetten sogar eine eigene Damenabteilung. Trotz schwierigster Bedingungen materieller und finanzieller Art, erweiterte sich der Wirkungskreis der Samariterlehrkurse ganz bedeutend. Großen Anteil haben daran die Unterrichtsärzte Dr. Zadek, Dr. Friedeberg und Dr. Christeller.
Im Herbst 1896 wurden die Mitglieder des Lehrkursus zu einer besonderen Abteilung, der Arbeiter-Samariter-Kolonne zusammengefaßt. Diese Kolonne bestand unter der Leitung von Dr. Friedeberg aus 40 Stammmitgliedern, die wiederum bald in fünf Gruppen aufgegliedert wurden. Diese fünf Gruppen wurden mit Sanitätsmaterial, Taschenapotheken etc. ausgerüstet und zeigten sich nun auch bestrebt, als Helfer in aller Öffentlichkeit wirksam zu werden.
Nach anfänglich ablehnender Haltung war es zur Maifeier im Jahre 1897 erstmalig möglich, mit Unterstützung Dr. Friedbergs, in der Öffentlichkeit präsent zu werden.
Die erste Feuerprobe für die Samariterkolonne bestand dann 1897 beim Sängerfest in Pichelsdorf. Durch Unfälle in großer Anzahl, konnten hier die Samariter Proben ihres Könnens unter Beweis stellen. Dafür wurden der Kolonne in anerkennender Weise durch den Sängerbund ein Betrag von 150,00 DM zur Verfügung gestellt, welcher die Kassenverhältnisse doch zunächst erheblich aufbesserte. Somit war es möglich, die Ausrüstung zu verbessern und weiter zu ergänzen. Jetzt wurden auch die gewerkschaftlichen Organisationen auf die Arbeiter-Samariter-Kolonne aufmerksam und unterstützten sie finanziell.
Der Mitgliedsstand verbesserte sich und in verschiedenen Zeiträumen entstanden Abteilungen im Norden, in Schöneberg, Lichtenberg und Rixdorf sowie Neucölln. Zukünftig wurden größere Veranstaltungen auf öffentlichen Plätzen mit Zeltwachen besetzt.
1903 konnte das 15. Stiftungsfest gefeiert werden bei dem, von Freunden und Gönnern der Kolonne, ein Banner gestiftet wurde.
Wie ein Blitzstrahl wirkte daraufhin die Nachricht, dass die Samariterkolonne nicht mehr berechtigt sei das Abzeichen des Roten Kreuzes weiterzuführen. Nach Genfer Beschluß waren nur noch die dem Roten Kreuz angeschlossenen Kolonnen berechtigt, dieses Abzeichen zu führen. Demzufolge wurde eine Änderung des ASB-Zeichens in ein weißes Kreuz auf rotem Felde vorgenommen.
1906 wurde der erste Sauerstoffapparat gekauft, kurze Zeit später die Ausrüstung der Samariter durch Aluminium-Labeflaschen ergänzt.
Die Kolonnen bemühten sich nicht nur ständig um bessere Ausbildung, sondern machten also auch hinsichtlich der Ausstattung erhebliche Fortschritte.
So wurden neue Zelte, Taschen und Verbandsmaterial gekauft. Gleichzeitig entwickelte sich die Idee auch in zahlreichen anderen Städten Deutschlands, so z. B. in Dresden, Köln, Meißen und Hamburg, Selbsthilfekurse zu halten.
In den Folgejahren kamen Wuppertal, Kassel und Eberfeld hinzu. Sehr groß war dabei der Zulauf aus Kolonnen des DRK, in denen sich die Arbeiter nicht mehr wohlfühlten.
Am 11. und 12. April 1909 konnte nach längeren Bemühungen und Schriftwechsel der "Kongress zur Gründung des Arbeiter-Samariter-Bundes Deutschlands" einberufen werden. Es hatten sich Delegierte aus den Kolonnen Berlin, Dresden, Meißen, Köln, Hamburg und Eberfeld eingefunden. Weitere Symphatieerklärungen gingen von den ASB-Kolonnen Nürnberg, Straßburg im Elsaß, Wilhelmshaven und Kassel ein. Man beschloß eine Satzung und wählte als Bundesabzeichen ein weißes Kreuz in einem rotem Feld mit den Buchstaben ASB.
Infolgedessen begann eine große Publikumsarbeit durch eine Werbekampagne, in deren Folge sich immer wieder neue Kolonnen, so in Leipzig, Halle, Düsseldorf und Chemnitz gründeten. Bereits 1910 traf man sich zur Ersten Bundestagung wieder.
Ostern 1912 bestanden bereits 48 Kolonnen mit 3.107 Mitgliedern.
Zu Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 erreichte der ASB mit 5.500 Mitgliedern in 108 Kolonnen seinen damaligen Höhepunkt. Man plante Großes für die kommende Zeit ohne zu ahnen, dass der nur wenige Monate später beginnende Weltkrieg den ASB in seiner Arbeit weit zurückwerfen würde. Die Kolonnen wurden in manchen Orten fast lahmgelegt und je länger der Krieg dauerte, um so mehr schmolzen die Kolonnen des ASB zusammen. Im Krieg standen 1.688 Mitglieder und bei der freiwilligen Krankenpflege 442 Samariter im Dienst am Menschen.
Sofort nach Kriegsende setzte sich die Arbeit der ASB-Kolonnen in allen Teilen des Reichsgebietes wieder verstärkt fort.
Bei der 1919 in Magdeburg einberufenen Bundestagung des ASB gab es 256 Samariter und 9 Ärzte, die im Krieg gefallen waren, zu beklagen. So wurde mit Plakaten und Aufrufen den ehemaligen Sanitätssoldaten nahegelegt, dem ASB beizutreten. Bald darauf konnte wirklich eine große Anzahl der im Felde ausgebildeten Krankenpfleger und Sanitäter als Neumitglieder verzeichnet werden.
Die Aufbauarbeit begann von Neuem. Der ASB verstand sich als unpolitische, im Dienst der gesamten Menschheit stehende Samariterorganisation. Die Mitgliedschaft war daher nicht abhängig von der Zugehörigkeit zu einer politischen Partei oder Religion. Trotzdem wurde in den darauffolgenden Jahren durch einzelne Mitglieder immer wieder versucht, parteipolitische Tendenzen in den Verband hineinzutragen.
Bei zahlreichen Unglücken im Jahre 1920, war der ASB hilfreich zur Stelle, in dem er immer wieder durch Übungen und Verbesserung der Ausrüstung für optimale Erstversorgung von Unglücksopfern sorgte.
Das Inflationsjahr 1923 verschlechtert diese Bedingungen durch Kostenerhöhung für Ausstattung und Material. Ein Überleben des ASB war damals nur mit Hilfe der in- und ausländischen Samariter und deren zahlreiche Spenden möglich.
Ebenfalls im Jahre 1923 begann der ASB mit der Wohlfahrtsarbeit und richtete an verschiedenen Orten Kindererholungsheime ein.
Die unvorstellbare Not, die zur Zeit der Inflation im Ruhrgebiet herrschte, war kaum in Zahlen zu fassen.
Zum neuen Bundesvorsitzenden wurde auch im Jahre 1923 der Samariter Theodor Kretschmer aus Chemnitz gewählt, welcher bis 1933 im Amt blieb.
Der damalige ehrenamtliche Bundessitz selbst wurde von Chemnitz nach Berlin verlegt.
Obwohl der ASB nicht mal eine eigene Büroeinrichtung besaß, entstand in Berlin die erste hauptamtliche Geschäftsstelle.
In den Folgejahren der Aufbauarbeit, die durch politische und marktwirtschaftliche Aspekte immer wieder Rückschläge erfahren mußte, wurde auch besonderer Wert auf die Erweiterung der Wohlfahrtsarbeit und den Aufbau der Jugendarbeit gelegt.
1928 konnte die 1. Wasserrettungsstation in Berlin in Betrieb genommen werden. Weitere folgten in Flensburg und Königsberg.
Der ASB hat zu diesem Zeitpunkt über 50.000 Mitglieder und entwickelt sich trotz der Notzeit aufwärts.
Am 30. Januar 1933 übernahm Adolf Hitler die Macht und im April des selben Jahres erschien die letzte Zeitschrift des ASB. Teilweise wurde das Kolonnenmaterial sogar beschlagnahmt, so dass eine Weiterarbeit unmöglich wurde. Das Deutsche Reich war vielfach der Ansicht, dass der ASB eine politische Organisation sei.
Seit 24 Jahren bekräftigte der ASB immmer wieder von keiner politischen Partei abhängig zu sein, aber es war zu spät. Kurze Zeit darauf kamen Beauftragte der SA und NSDAP in die Geschäftsstelle des ASB, um die Organisation unter ihre Leitung zu stellen. Wiederum kurze Zeit später wurde der ASB ganz verboten.
In einem letzten Rundschreiben von 1933 heißt es: "Der ASB hat aufgehört zu existieren, Sitzungs- und Übungsabende fallen weg, sämtliche Dienste sind sofort einzustellen, Uniformen, Abzeichen und Armbinden dürfen nicht mehr getragen werden. Sämtliches Material sowie die Kolonnentaschen der Mitglieder sind einzuziehen und an einer Stelle geschlossen aufzubewahren bis das DRK die Nachricht über die Abholung gibt."
Sofort nach Beendigung des "Zweiten Weltkrieges", im Jahre 1945, wurde in vielen Teilen der amerikanischen, britischen und französischen Besatzungszonen und in Berlin Versuche unternommen, die früheren Samariter wieder zu sammeln und die ASB-Kolonnen in den von Alliierten besetzten Bundesgebiet West-Deutschlands neuzugründen.
Eine Wiedergründung des ASB in den Gebieten Ostdeutschlands war erst nach dem Fall der Mauer 1989 und in den Folgejahren möglich. Den Anstoß zur Aufbauarbeit sowie Unterstützung leisteten dabei natürlich die im westlichen Bundesgebiet bereits bestehenden Orts- und Kreisverbände und mit Hilfe der vielen zunächst noch ehrenamtlich engagierten Helfer und Interessenten in Ostdeutschland. So entstanden zahlreiche Partnerschaften zwischen Städten und nachfolgend einzelnen Ortsverbänden.